Von den Anfängen bis heute

Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (ÖGfL) wurde 1961 im Rahmen einer umfassenden Initiative des Bundesministeriums für Unterricht zur staatlichen Literaturförderung gegründet.

Wolfgang Kraus, Heimito von Doderer
©Helmut Baar

Erste Einladungskarte

Wolfgang Kraus, österreichischer Journalist, Lektor und Essayist, setzte gemeinsam mit seinen Mitarbeiter*innen, u. a. Otto Breicha, Hella Bronold, Kurt Klinger, Reinhard Urbach und Herbert Zand, unter anderen folgende Maßnahmen zur Förderung des literarischen Lebens in Österreich um: die Einladung von Autor*innen nach Wien, die Organisation von Großveranstaltungen mit hoher medialer Präsenz, die Veranstaltung von Jugendaufsatzwettbewerben, Lesungen in Schulen und Literaturausstellungen sowie die Entstehung der Diskussionsplattform »Forum der Jugend« sowie der informellen Treffen im Rahmen der »Literarischen Jause«.  Seit 1961 finden jährlich etwa 60-80 öffentliche Veranstaltungen statt.

Das Engagement der Literaturgesellschaft beschränkte sich jedoch nicht nur auf Österreich. Auch auf internationaler Ebene galt es, die Bekanntheit österreichischer Literatur und Kultur zu erhöhen, etwa durch die Förderung von Übersetzer*innen und der Auslandsgermanistik sowie durch die Versendung zehntausender Bücher österreichischer Literatur auf alle Kontinente.

Am 18. Dezember 1961 wurde die neu gegründete Österreichische Gesellschaft für Literatur im Palais Wilczek der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung las Heimito von Doderer aus dem noch nicht erschienenen Roman »Die Merowinger«, auf der Einladungskarte stellte der ironische Vermerk »Kein Streichquartett« sicher, dass es sich um keine der üblichen Eröffnungszeremonien handeln sollte.

Österreichische Literatur sollte, so die Vision von Kraus, im Ausland popularisiert werden und zugleich sollte die Gesellschaft als institutionelle Drehscheibe für die Vernetzung österreichischer Autor*nnen mit Schriftsteller*innen im Ausland dienen. In seiner Eröffnungsrede definierte der ÖGfL-Leiter dementsprechend drei zentrale Zielsetzungen: (1) die Förderung österreichischer Gegenwartsliteratur, (2) die Kontaktaufnahme mit während der NS-Herrschaft vertriebenen Autor*innen und (3) den Aufbau intensiver Kontakte mit Intellektuellen jenseits des Eisernen Vorhangs, insbesondere aus Ländern der ehemaligen Doppelmonarchie.

Ad. 1) Dank ihrer vielseitig interessierten Mitarbeiter, wie etwa Otto Breicha (1972-1972) und Reinhard Urbach (1968-1975), und ihrer monopolartigen und ihrer durch Wolfgang Kraus gefestigten Position wurde die Österreichische Gesellschaft für Literatur rasch zu einem zentralen Raum der Begegnungen der österreichischen Literaturszene. Die enge Anbindung an die Literaturzeitschriften Wort in der Zeit, Literatur und Kritik erhöhte ihre Resonanz in der medialen Landschaft. Zu Gast waren etwa regelmäßig: Ilse Aichinger, H.C. Artmann, Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Heimito von Doderer, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Peter Henisch, Paul Jandl, Hans Lebert, Friederike Mayröcker, Ilse Tielsch, Renate Welsh, u.v.a.

Ad. 2) Viele ins Exil vertriebene Autor*innen waren dank der ÖGfL teilweise erstmals auf einer Bühne in ihrem ehemaligen Geburts- oder Heimatland wieder präsent: 1962 waren Erich Fried am 27. April, Manès Sperber am 18. Juni (Lesung aus dem noch unveröffentlichten Roman Der schwarze Zaun) und Jakov Lind am 2. November (Lesung aus Eine Seele aus Holz) zu Gast. Ein Jahr später folgten Elias Canetti am 28. Februar, Robert Neumann am 17. Juni (Lesung aus Aus meinem Leben) und Martin Esslin am 6. Dezember (Vortrag über Das Theater des Absurden).

Ad. 3) Verglichen mit anderen Bereichen und Tätigkeitsfeldern der Literaturgesellschaft trat Wolfgang Kraus in Sachen Ost-West-Austausch in den entscheidenden Belangen von Beginn an geradezu monopolhaft auf. Insbesondere vor dem Hintergrund des kulturellen Kalten Krieges nahm die ÖGfL als eine Drehschreibe zwischen ‚Ost‘ und ‚West‘ eine wichtige Rolle ein. Nicht nur waren bei Lesungen und Diskussionen Gäste aus beiden politischen Hemisphären anwesend, sondern sie trafen mitunter auch direkt aufeinander; zu wichtigen Gäste zählten etwa: Elias Canetti (Österreich/England), Tibor Déry (Ungarn), Imre Kértesz (Ungarn), Ladislav Mňačko (Polen), Oskar Pastior (Rumänien), Marcel Reich-Ranicki (BRD), Alain Robbe-Grillet (Frankreich) und Manès Sperber (Österreich/Frankreich).

Im Vorfeld des Epochenjahres 1989 fokussierte sich die Österreichische Gesellschaft für Literatur auf ihre außenkulturpolitische und literaturvermittelnde Aufgabe. 1988 konnte ein Übersetzer*innen-Stipendium und 1989 die Österreich-Bibliotheken auf den Weg gebracht werden. Beide Initiativen existieren noch heute und stehen in engem Zusammenhang mit der Institution.

Wolfgang Kraus leitete und prägte die Literaturgesellschaft bis 1994, seine Nachfolgerin war die Schriftstellerin Marianne Gruber, seit Jänner 2014 ist Manfred Müller der aktuelle Geschäftsführer.